Ein Vulkanaufstieg mit Erdnussallergie

Ein dunkles Augenpaar mustert mich aufmerksam. Jakob macht einen Zug an seiner Zigarette und lässt den Rauch langsam über seine Lippen wandern. „Verändert hat es mich definitiv. Das Reisen.“ Lachfältchen umrahmen seine Augen. „18 Monate unterwegs zu sein, da hat man schon viel Zeit, um seinen eigenen Horizont zu erweitern und die Dinge aus einer ganz anderen Perspektive zu betrachten. Die beste Entscheidung, die ich treffen konnte.“

„Der 8.1.2016 war es, als ich weggeflogen bin. Ich hab in Indien angefangen.  Aus dem simplen Grund, weil ich die Weißkopfseeadler so gern mag. Du findest sie an den Küsten, also in Cozy Nook in Massen, wie sonst nirgendwo. Wenn du sie fütterst, da kommen dann zwischen 50 bis 80 junge Weißkopfseeadler auf einmal. Das war unglaublich. Darum auch Indien“, erzählt Jakob.

„Insgesamt war ich schon zwölf Mal dort. Mein kürzester Aufenthalt war drei einhalb Wochen. Der längste sechs Monate. Mittlerweile seh ich´s eh schon als meine zweite Heimat.Und ja, ich bin nur mit dem Rucksack gereist. Hab versucht, mein Gepäck möglichst leicht zu halten. Waren insgesamt so um die elf Kilogramm. Ein bisschen Unterwäsche, ein Schlafsack, ein paar T-Shirts, kurze Hosen und einen warmen Pulli. Ne kleine Reiseapotheke, Schweizer Taschenmesser und natürlich eine Taschenlampe. Zum Fliegen eine lange Hose. Das wars.“

Auf meine Frage, ob er auch jemals in einem Zelt geschlafen habe, verneinte er. „Ich würde dir das generell nicht raten. Vor allem in Indien nicht. Da gab es eine Geschichte von einem jungen Pärchen, das in Indien gezeltet hat. Tja, mitten in der Nacht wurde von irgendwelchen Wahnsinnigen Sprit drübergeschüttet und das Zelt angezündet. Viel zu gefährlich. Ich hab meistens in Hotels geschlafen und mir ab und zu eine Hütte am Strand gemietet. Immer nachdem ich eine Zeit lang gearbeitet habe. Das war in einem Restaurant von einem Freund. Ich hab in der Küche mitgeholfen, also geschnibbelt, vorbereitet und abgewaschen. Und ja in den Küchen von Indien kann´s schon recht chaotisch zugehen. Zum Beispiel werden die Pfannen immer erst zum Schluss abgewaschen. Dem Koch war das egal, wenn er in der Zwischenzeit nicht kochen konnte, weil keine saubere Pfanne vorhanden war. So auf die Art „Ist doch nicht mein Problem, wenn der andere seine Arbeit nicht macht“. Da haben die Gäste Pech gehabt. Sowas ist schon seltsam für uns.

Ich war in Puna Arjuna, Palolem, Hampi, Mangaluru, Kochi und Bangladore unterwegs.

28.4.2016

Nach Indien ging es für 1 1/2 Wochen nach Sri Lanka, danach für eine Woche auf die Malediven und schlussendlich auf die Seychellen. Die Fahrt hinüber hat mich quasi nichts gekostet, weil ich mit einem Frachtschiff mitfahren konnte. Das einzige dumme war nur, dass mir am Anfang der Malediven mein Handy geklaut wurde.

Danach bin ich wieder zurück nach Indien geflogen, nämlich nach Dabolim (Goa). Goa ist ein toller Ort, dort gibt es die schönsten Strände Indiens. Ja dann war ich drei Tage zuhause und am vierten Tag in Ibiza. Von Ibiza bin ich weiter nach Barcelona, dann nach Madrid und zum Abschluss wieder zurück nach Ibiza. Das war dann genau der Zeitpunkt, wo die Hauptsaison im vollem Gange war, sprich die Insel war überfüllt von Touristen. Das hat mir dann endgültig gereicht und ich bin geflüchtet. Da waren mal 3 Monate Ossiachersee in Kärnten angesagt.

Im Oktober 2016 bin ich dann wieder zurück nach Indien gegangen. Am 8. Januar 2017 hab ich eine Freundin vor Ort am Flughafen abgeholt. Wir blieben für einen Monat in Indien und sind wieder nach Goa geflogen. Sie hat dort auch eine Ausbildung zur Yoga Lehrerin gemacht.

Am 9.2. ging es zurück nach Österreich und am 15.2. gleich weiter nach Panama. Du kannst dir vorstellen: Ein Jetlag vom allerfeinsten. Vier Stunden Zeitunterschied von Indien zu Österreich und dann kamen nochmals acht Stunden bis nach Panama dazu. Ein ganzer halber Tag, der hat´s in sich gehabt.

In Panama sind wir für zwei Wochen geblieben, danach ging es auf die San Blas Islands, die gehören zu den schönsten Inseln auf der Erde. Das Wasser ist so unglaublich klar. Du siehst bei 30 Metern noch bis zum Grund. Unglaublich leicht dort zu fischen, weil es  dort noch so einen großen vielfältigen Fischbestand gibt. Das Ding ist nur, wenn du so was unglaublich Schönes schon am Anfang der Reise siehst, gibt es einfach absolut keine Steigerung mehr für irgendeinen anderen Strand. Wenn du das absolute Highlight gleich am Anfang der Reise siehst, hat der Rest dann nicht mehr diesen Wow – Effekt.

Anschließend sind wir dann gleich nach Kolumbien, genauer gesagt nach Cartagena, weiter und haben nicht gewusst, dass an diesem Zeitpunkt genau Karneval stattfindet. Wir haben also viel gefeiert, diese bunten schrillen Straßenumzüge genossen und hatten da echt ne lustige Zeit. Sind dann weiter nach Santa Marta, von dort nach Minca und haben uns entschlossen, danach den 65 Kilometer Lost City trip zu machen. Zu der „Ciudad perdida“ (verlorenen Stadt). Ja da waren wir ganze fünf Tage und vier Nächte im Dschungel unterwegs und ich kann sagen, dass dies mit Abstand eines der anstrengendsten Trips war, die ich in meinem Leben gemacht habe. Noch dazu hatte ich eine Erdnuss Allergie, die hat das Ganze nicht unbedingt leichter gemacht.“

Er lacht kurz auf.

„Aber wenn man einmal die Chance hat, sowas zu machen – macht´s es! Du wächst so über dich hinaus. Das entscheidende dabei ist, dass der Weg das Ziel ist. Nicht das Ziel alleine ist entscheidend   .. du führst nämlich dabei einen ständigen Kampf mit dir selbst. Das liegt an diesem Reizklima und an der irren Anstrengung. Ich kam einfach an meine absolute Leistungsgrenze und darüber hinaus. Allerdings habe ich auf diesem Weg auch Frieden mit mir selbst gefunden und Dinge verarbeiten können, die mich davor belastet haben. Dinge, die ich davor oft weg geschoben oder verdrängt hab.

Weggestartet sind wir in einer Gruppe, allerdings ist jeder den Weg für sich alleine gegangen. Das war auch absolut notwendig. Jeder hat seine eigenen Schrittlänge, seinen eigenen Takt. Ich erinnere mich an einen Typ, der hatte quasi einen 26 kg schweren Seesack auf dem Rücken und in diesem befand sich absolut alles, was er zum Leben brauchte. Noch dazu  hatte er einen so schnellen Schritt drauf, dass ich absolut keine Chance hatte, mit ihm Schritt zu halten.“

Jakob drückte seine Zigarette aus.

„Auch wenn ich am Ende echt am Arsch war, irgendwann möchtest du einfach das Beste aus dir selbst rausholen.

Da erfreut man sich einfach an dem, was bleibt. Nämlich die kleinen Dinge. Wenn sich zum Beispiel die Luftfeuchtigkeit auf den Blättern absetzt und das Sonnenlicht drauf scheint.

Der letzte Tag: Kurz vor der verlorenen Stadt gibts einen Anstieg mit 1200 Steinstufen. Die Höhe variiert zwischen 30 bis 70 cm. Nach Dreiviertel des Weges hab ich echt geglaubt, meine Beine geben jeden Moment unter mir nach.

Rückblickend  kann ich sagen, ja…  dieser Trip war reine Selbstfindung. Eine irre Erfahrung.

Wir sind dann wieder zurück nach Santa Marta und haben uns dort erstmal zwei Tag ausgeruht um dann gleich weiter  nach Medellin zu fliegen. Medellin, eine wahnsinns Stadt die ganze Berghänge bedeckt. Es spaltet sich in ganz unterschiedliche Blöcke von Stadtteilen auf, wo teilweise bis zu 250 Höhenmeter Unterschied sind. Von der geografischen Lage ist es halt einzigartig. Dann ging von Medellin nach Guatape, das ist ein Ort wo einst ein Meteorit eingeschlagen hat. Um Guatape war auch  das Anwesen von Pablo Escobar, das wir uns anschauten. Wenn man schon mal in der Nähe ist. Ja, Pablo Escobar..“ Seine Stimme schweifte kurz ab.

„ In diesen Drogenkrieg sind mit ihm als Patron 1.1 Million Menschen gestorben.. Nach wie vor Tausende vermisst. Kranker Mensch. Ein Tyrann und Familienvater gleichzeitig.

Nach Escobar sind wir dann weiter nach Costa Rica geflogen. Tja und  dort fast hängen geblieben. Weil Costa Rica ist ein Traum. Zwar teuer aber Landschaftlich unglaublich. Zur Karibik Seite hinüber hatten wir eine der längsten Rafting Strecken die du auf diesen Planeten befahren kannst, nämlich 18,4 Meilen. Noch dazu gab es dort auch diese Riesenfarne, die bis zu drei Meter hoch wurden.  Zusammengefasst waren wir in Costa Rica ungefähr 4 Wochen, in Kolumbien waren es 3 Wochen.

Dann ging es weiter nach Nicaragua. Der Strand dort war so unglaublich krass. Gleich teuer wie in Costa Rica, allerdings gab es keine Infrastruktur. Sprich keine Kanäle, keine ausgebauten Straßen, keine Fußgängerüberwege, keine Elektrizität. Absolut gar keine Beleuchtung. Das Highlight am Strand war das fluoreszierendes Plankton. Also stell dir vor immer wenn du deinen Fuß in den Sand gesetzt hast, ist dieser in der Dunkelheit, in dem Moment wo du Kontakt mit dem Boden hattest, aufgeleuchtet.  Schritt für Schritt. Das war ziemlich cool. Und wenn du in s Wasser reingeschaut hast, konnte man diese ganzen Plankton Partikel beobachten. Du konntest sehen wie das Wasser quasi wie ein kleiner Sternenhimmel daher geschwappt ist. Ich hatte einfach wahnsinniges Glück, das sehen zu dürfen. Mindestens genauso ein Glück wie wenn du von einer Kokosnuss erschlagen wirst.

„Eher Unglück“; meinte ich. „Ob Glück oder Unglück, das kannst du werten wie du möchtest.

Dann sind wir weiter auf die Insel im Nicaragua See genannt Ometepe. Dieser See ist ca. halb so groß wie Bayern.  Dort sind zwei Vulkane der Madera und Concepcion. Concepcion ist 1600 meter hoch und für dort war auch eine Besteigung geplant. Tja.” Er zog seine Augenbrauen hoch. “ich hab die Besteigung abbrechen müssen, da ich die größten Kreislaufschwierigkeiten bekam. Aufgrund der Anstrengung und des Reizklimas. Das hab ich so noch nie erlebt. Im Dschungel in Kolumbien hat mir das viel weniger ausgemacht. Aber auf diesen Vulkan war das wirklich heftig. In der Früh war es meistens kalt, bis Mittag kam eine extreme Luftfeuchtigkeit dazu und ab Mittag wurde es sau warm und es gab überhaupt keine Luftfeuchtigkeit mehr. Sprich, die Luft nach oben ist immer trockener geworden. Eine Freundin von mir hat den Aufstieg durchgezogen und erzählte mir danach, dass sie in ihrem ganzen Leben noch nichts Extremeres gemacht hat und 80% über ihrer Leistungsgrenze stand.  Vor allem weil die letzten 600 Höhenmeter in einem 45 Grad Winkel stehen. Ohne Sicherung, ohne irgendwas.

Da mein Heimflug von Costa Rica ausging, sind wir dann mit dem Bus wieder zurück und dann zu Fuß in Costa Rica über die Grenze gewandert. Gar nicht kompliziert, wir mussten bei der Einreise nur angeben wie lange wir in dem Land bleiben wollten.

Sobald wir drin waren ging es von San Jose  nach Punta Arenas  und von dort nach St. Theresa. Alles mit dem Bus. Wobei man sagen muss, dass diese Strände ein Traum sind wegen den Surfern. Da gibts diese 4- Steps Wasserwände, wo sich auch erfahrene Surfer schwer tun, und das alleine schon wenn sie rauskommen wollen. Auf der anderen Seite, wenn man dann sieht wie sie mit einer Welle den ganzen Strand entlang surfen.. das muss echt unglaublich sein.

Am ersten Mai sind wir dann schließlich von St. Theresa nach San Jose zurück. Am Tag darauf ging der Flug von Costa Rica nach Panama, von dort weiter nach Madrid und dann nach Amsterdam. Dort bin ich dann nach 10 Tagen wieder nach Hause zurückgekehrt.“

Rückblickend kann ich sagen:

Du begegnest Menschen beim Reisen mit einer ganz anderen Aura, als hier. Denn deine Komfort Zone liegt schon weit hinter dir zurück. Wir sollten generell offener sein, jedem einzelnen Menschen gegenüber. Einfach diese Vorurteile bekämpfen. Wichtig ist auch noch die Erkenntnis,   dass man von dem Ärmsten am meisten lernen kann. Sie  haben am meisten zu geben. Aus dem simplen Grund weil sie nichts haben. Mit der Einstellung: Ich tue Gutes, um für mich selbst etwas Gutes zu tun. Ich gebe Gutes, um Gutes zu erhalten. Es ist ganz leicht.“